Hand aufs Herz

Warum es eine gute Idee ist, die Augen zu verschließen

Es ist mein Job, hinzusehen. Genau hinzusehen, hinzuhören, mich hineinzuversetzen. Nein, Psychologin bin ich nicht, in keinster Weise therapeutisch unterwegs, zumindest nicht im professionellen Sinn. 

Ich bin Geschichtenerzählerin. 

Das ist es, was ich sage, wenn ich zusammenfassen soll, was ich denn eigentlich so mache den ganzen Tag lang. Ich bin Geschichtenerzählerin durch und durch, so lange ich denken kann. Meine Mutter spricht, vor allem bei einigermaßen Fremden oder lockeren Bekannten, mit Vorliebe davon, dass ich lange, bevor ich laufen konnte, geredet habe.

Unbeweglich saß ich da.

Einfach dort, wo man mich hinsetzte, brabbelte ich zuerst und sprach dann wohl auch ziemlich zügig einigermaßen verständlich im Alter von noch nicht mal einem Jahr vor mich hin. Und erzählte Geschichten. Von allem, was ich so gesehen, gehört und beim Hineinversetzen gesehen, gehört und mitbekommen hatte. Das war wohl eine ganze Menge, wenn man meiner Mutter Glauben schenken darf. Gut, Mütter übertreiben ja gern auch mal, wenn es um die eine oder andere Fähigkeit ihrer Kinder geht, aber ich möchte ihr das wirklich gern glauben.

Mir gefällt diese Geschichte.

Denn sie zeigt, wie wichtig es ist, auf die eigenen Sinne zu vertrauen, wenn es um das Aufspüren und Erspüren von erzählenswerten Geschichten geht. Aber warum ist es denn dann eine gute Idee, die Augen davor zu verschließen? Ich versuche, das in angemessener Kürze zu beantworten: Weil dem inneren Auge oft mehr zu trauen ist als dem äußeren Anschein. Meiner Ansicht nach. Da war er wieder, der Blick, in der Ansicht. Und auch dieser Blick: ein innerer.

  • 15. April 2023, 4 Uhr 08